Natürlich ist das Schnee von gestern. Keine Frage. Aber erst jetzt, dank einsetzendem Tauwetter, wird die Dimension so richtig sichtbar. Die Faktenlage hat sich eminent erweitert. Auch wenn bei dem Wort Fakten natürlich bei einigen Zeitgenossen mit der rechten Gesinnung gleich mal die Alarmglocken läuten. Aber es gibt ja noch viele andere Menschen, die solche Berührungsängste nicht haben. Und die könnte es interessieren, wie es dazu kam, dass Herr Scheuer, Retter der deutschen Autofahrer, sogar einen Brief an die EU-Kommission schrieb.
Er will, dass der Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter für Stickstoffdioxid gemäß EU-Luftqualitätsrichtlinie überprüft wird. Weil eine Gruppe deutscher Lungenärzte an diesem Grenzwert zweifelt. Oder um gleich Herrn Scheuer zu zitieren: „Es mehren sich Stimmen in der deutschen Ärzteschaft, die die wissenschaftliche Herleitung des Jahresmittelwerts von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter für Stickstoffdioxid in der EU-Luftqualitätsrichtlinie infrage stellen.“
Ausgelöst wurden diese Zeilen von dem Pensionär und Pneumologen Dieter Köhler. Der zwar nie zum Thema Forschungen an- oder eine Studie erstellte. Aber ein zweiseitiges Papier verfasste, in dem er behauptete, es gebe „keine wissenschaftliche Begründung für die Grenzwerte“. Und hundert Unterstützer für diese These auftrieb. Unter anderem den Motorenexperten und engagierten Verteidiger des Dieselmotors, Thomas Koch. Und es damit in kürzester Zeit in fast alle Talk-Shows schaffte, tatkräftig unterstützt von der Bild-Zeitung mit der Überschrift: „Ärzte-Aufstand gegen Feinstaub-Hysterie.“
An der Köhler-Hysterie konnte auch die Tatsache nichts ändern, dass die „Stimmen in der deutschen Ärzteschaft“ und Unterzeichner seines Papiers auf Anfrage des Wissenschaftsmagazins „nano“ verneinten, sich jemals mit den Gefahren von Feinstaub und Stickstoffdioxid beschäftigt zu haben. Die Auto-affine Internetgemeinde, Teile der Politik und insbesondere Verkehrsminister Scheuer stürzten sich trotzdem mit großer Begeisterung auf die steile These. Oder wahrscheinlich gerade deshalb. Die größte Begeisterung erzielt man wohl in diesen Zeiten mit Behauptungen, die nur von der Überzeugung belegt werden. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis jemand behauptet, dass die Erde eine Scheibe ist. Weshalb Autos seitlich runterfallen könnten. An wen dann wohl Herr Scheuer schreiben wird?